Das Recht auf Kommunale Selbstverwaltung sollte uns wichtig sein: es ist Basis und Fundament unserer demokratischen Ordnung. Wer die Kommunen (bewusst oder unbewusst) überfordert, der erweist der Stabilität unserer demokratischen Ordnung einen Bärendienst.

Unter dem Begriff der „Kommunalen Selbstverwaltung“ wird das Recht der Kommunen in Deutschland verstanden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln. Die „Kommunale Selbstverwaltung“ ist eines der Grundprinzipien unseres demokratischen Gemeinwesens und hat in Deutschland durch die Selbstverwaltungsgarantie in Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) Verfassungsrang. Der Wunsch nach einer starken, eigenständigen Gemeinde ist im Besonderen auch eine Lehre aus den dunklen Zeiten des Nationalsozialismus: die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes sahen in ihr ein Bollwerk gegen die Verführung durch Ideologen und Volkstribune aller Art! Denn -so die Annahme unserer „Verfassungseltern“: eine intensive Einbindung in die demokratischen Entscheidungsprozesse vor Ort, und ein damit gestiftetes Verantwortungsgefühl für das Miteinander, neudeutsch würde man sagen: eine „corporate identity“, also auch ein Stück Lokalstolz verhindern ein Abdriften in Radikale und Extreme. Die Kommunale Selbstverwaltung war also gedacht als -im Besten Sinne des Wortes- Hilfe zur Selbsthilfe, zur Erziehung und zum Heranführen der Bürger vor Ort in demokratische Entscheidungsabläufe, folglich: das Errichten einer soliden demokratischen Basis, auf der letztlich das gesamte (demokratische und republikanische) Staatsgefüge aufbauen kann.
Zu Recht heißt es deshalb in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in ihrem § 1: „Die Gemeinde ist Grundlage und Glied des demokratischen Staates.“

Ich erlebe als (einfaches) Mitglied in einem Gemeinderat immer häufiger, wie wenig Entscheidungsspielraum uns an der Basis tatsächlich noch bleibt. Wie wenig vom „Recht auf Kommunale Selbstverwaltung“ noch übrig ist. Wie sehr man uns mit Gesetzen, Verordnungen oder Verwaltungsanweisungen oder auch auf „höheren“ (Verwaltungs- oder Politik-) Ebenen getroffenen Entscheidungen vorgibt, „wie wir zu leben haben“. Wie man unser „kommunales Ermessen“ auf Null reduziert. Wie andere Ebenen unseres Staates (etwa die Bundesebene) Entscheidungen trifft und Dritten Rechtsansprüche zusichert, die wir an der „republikanischen Basis“ zu erfüllen haben. Häufig kommt das einem (an und für sich im deutschen Recht unzulässigen) „Vertrag zulasten Dritter“ gleich: wenn die Bundesregierung Entscheidungen trifft, deren Folgen sie selbst weder beherrscht noch deren sich daraus ergebenden Forderungen Dritter erfüllen kann; sondern die von der kommunalen Ebene zu erfüllen sind.

Aus vielen denkbaren anderen will ich nachstehend konkret ein Politikfeld ansprechen, das uns vor Ort aktuell große Sorgen macht: die Unterbringung Geflüchteter. Wie fast alle Kommunen haben auch wir kaum eine Chance, die Vielzahl der Flüchtlinge, die wir -nach einem von Dritter Seite erstellten und uns aufgegebenen Verteilungsschlüssel- unterzubringen haben, in unserem Ort in bestehende Wohngebäude einzuquartieren geschweige denn zu integrieren. Die bestehenden Gebäude der Gemeinde sind vollständig „ausgebucht“, auch wegen vieler Verfehlungen einzelner Flüchtlinge besteht bei der Bürgerschaft keine Bereitschaft mehr, der Gemeinde privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Aus vielen Gesprächen mit Bürgern kann ich sagen: im Grunde will jeder gerne helfen. (plumpe) „Ausländerfeindlichkeit“ erlebe ich ganz selten. Besonders bei uns im Ort leben viele Bürger, deren Vorfahren nach dem 2. Weltkrieg als Flüchtlinge zu uns gekommen sind; das Thema „Flucht und Vertreibung“ ist vielen präsent, auch daher sind sie überwiegend bereit, zu helfen wo sie nur können.

Das ist aber nicht das Thema. Das Thema ist vielmehr, dass wir schlicht überfordert sind. Und dass wir ja gerade deshalb (!) überfordert werden, weil in großer Zahl Menschen zu uns kommen bzw. durch Entscheidung der Bundesregierung zu uns gelassen werden, die (absehbar) kein Recht auf Asyl haben, jedoch alle mit der relativ sicheren Aussicht ausgestattet sind, dauerhaft hier bleiben zu können. Das hat neben der Tatsache, dass viele der Migranten aus rein wirtschaftlichen Motiven zu uns kommen, noch viele weitere Gründe, wie etwa die „unfaire“ Verteilung der Flüchtlinge in der EU. Oder der Umstand, dass die Bundesebene unserer Republik die Migration zu uns geradezu anheizt (großzügige Sozialleistungen haben unstreitig einen „Pull-Effekt“). Oder auch weil zudem Regelungen in Kraft sind (und zukünftig noch großzügiger gehandhabt werden sollen), die zu noch mehr Zuzug führen werden (Stichwort etwa: erleichterter Familiennachzug).

Das alles überfordert uns in der Kommune. Man kann etwas platt und vergröbert sagen: der Bund schafft an, und wir müssen die Folgen tragen. Und das empfinde ich dann sehr wohl auch als einen "übergriffigen Eingriff" in unser eigentlich garantiertes Recht auf kommunale Hoheit und Entscheidungsfreiheit, sprich: unser Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Denn so wird das eine FREMDVERWALTUNG. Wir haben vor Ort gerade noch die Entscheidung zu fällen, wo wir im Ort ein Containerdorf aufbauen, in dem wir die zu uns Gekommenen unterbringen. Das überfordert dann auch viele Bürger, sie fühlen sich hilflos und ohnmächtig. Viele Reaktionen „von der Straße“ zeigen mir das täglich.

Das Recht auf Kommunale Selbstverwaltung sollte uns wichtig sein: es ist Basis und Fundament unserer demokratischen Ordnung. An der Basis wird entschieden, ob „Mit-Bürger“ „mit- genommen“ werden oder nicht. Hier entscheidet sich, ob Bürger sich mit unserer staatlichen Ordnung verbinden oder nicht. Wer nicht will, dass Bürger ihr Kreuz „an der falschen Stelle machen“, der kümmert sich darum, dass in den Kommunen möglichst eigenverantwortliche Entscheidungen getroffen werden können. Wer die Kommunen (bewusst oder unbewusst) überfordert, der erweist der Stabilität unserer demokratischen Ordnung einen Bärendienst.

Stephan Lenz
Ortsvorsitzender der CDU Neckar-Erms
Gemeinderat in Schlaitdorf

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